MaxFun Sports Laufsport Magazin

Der Tag (Folge 30)

24.05.2005, 12:00:00
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MaxFun Sports

Mitten im Schwall, im Strom, im Herz des Marathons

Doris und Markus starten beim Vienna City Marathon – für beide ist es das erste Mal.

Das Schlafbedürfnis am Abend nach den vielen Schritten war groß wie die Hirnaktivität, der Hormonzustand ungewöhnlich gemischt, der Hunger nicht sonderlich ausgeprägt, es sei denn, etwas Essbares befand sich in Reichweite. Aus irgendeinem Grund mussten Doris und Markus am nächsten Tag den Marathon noch einmal laufen, beim Blick in die Kaffeetasse, auf dem Weg ins Büro, zwischen zwei Besprechungen: Das Geschehen wiederholte sich unablässig, und alle Stimmungen kamen wieder, alle Anfeuerungen, alle Muskel- und Nervenanspannungen des Vortages ...

Der Doris-Marathon
Alles war größer, als Doris sich das vorgestellt hatte, die Hochhäuser, zwischen denen sie Aufstellung nahmen, die Masse von 20.000 Köpfen, in denen sich die Nerven in undosierter Unruhe befanden, die Breite der Straße, die Aufgabe, die nun bevorstand, die Aktivität der hormonproduzierenden Körperdrüsen, viel, viel größer war es als in der Vorstellung, hier neben der UNO-City, am Aufschwung der Reichsbrücke, zu Beginn der überdimensional langen Reise.
Körper rieb sich an Körper und seltsamerweise hatte doch jeder seinen Platz. Tommy musste schon unterwegs sein beim Junior Marathon, hoffentlich geht es ihm gut. „Wo treffen wir uns im Ziel?“, fragt jemand. „Lauf-Feuer“ steht auf einer Zeitung, die jemand zur Ablenkung liest. Musik perlt über den Zustand des Noch-Nicht-Laufens. „Du kriegst eh meine Zwischenzeiten aufs Handy“, verabschiedete sich ein Läufer von seiner Frau. Der Bursche links vor Doris bindet schon zum vierten Mal seine Schuhe. Woher kommt der Wind? Einmal einatmen, einmal ausatmen, ganz tief – darin liegt der ganze Marathon.

Der Markus-Marathon
Oben am Scheitelpunkt der Brücke flirrten die Köpfe der Läufer auf und ab, wie ein vibrierender Basston, der einem Musikstück seine Energie verleiht. Es dauerte Minuten, bis wir stockend an die Startlinie kamen, dort geriet plötzlich alles in Bewegung. Wie innerhalb einer riesigen, sanften Welle, die alles vorwärts trieb, begannen wir zu laufen. Fast alle Ablenkungsaktivitäten waren beendet. Der Trommelrhythmus von Tausenden Füßen auf dem Asphalt ließ keine Gedanken und Gefühle mehr zu, die nicht mit der Gegenwart zu tun hatten. Das ist es, ich bin im Marathon. Ich bin im Marathon. Ich bin mitten im Schwall, im Strom, im Herz des Marathons. Die Laternen am Brückenrand ragten in den Himmel. Am höchsten Punkt der Brücke sah man hinunter auf das Läufermeer, das sich leise brodelnd Richtung Innenstadt ausbreitete. Doris, bisher links vor mir unterwegs, war plötzlich weg. Ich drehe mich um, stolpere fast. Egal. Jeder läuft sein Rennen.

Der Doris-Marathon
Lassallestraße, Kilometer 2. Es sind Tausende andere um mich, aber mir scheint, ich laufe wie auf einer Bühne. Wir werden angefeuert, ich werde angefeuert. Es ist nicht einfach laufen, es ist wie ein Auftritt, den wir Läufer hier absolvieren. Zum Glück hab ich den Pulsmesser zu Hause gelassen, es würde mich verrückt machen, ich bin ohnehin schon aus dem Häuschen. Verdammt, wie laut ich schnaufe. Wahrscheinlich bin ich viel zu schnell.

Der Markus-Marathon
Wienzeile, Kilometer 8. Der Naschmarkt leer. Fenstergäste am Rand. Laufgeräusche. Und immer wieder einer ohne Geräusche, der von hinten vorbeizieht. Bergauf war noch nie meines. Im Marathon schafft man Dinge, die man sonst nicht schaffen würde, heißt es. Im Rücken zieht es ein bisschen. Bei nächster Gelegenheit muss ich trinken.

Der Doris-Marathon
Mir ist noch nie aufgefallen, wie stark es in der Mariahilfer Straße bergab geht. Was ist dort vorne? Die Leute stehen dicht an dicht, und klatschen, schreien, nur für uns. Jede Anfeuerung treibt die Füße und das Herz an. Was wird Markus machen?

Der Markus-Marathon
Den Blick geradeaus auf die Strecke richten, nicht auf den Heldenplatz reinschauen, den kannst du dann in 27 Kilometer genießen. Markus beginnt mit ersten Ablenkungsmanövern, um die beginnende Anstrengung zu unterdrücken. Mehr als ein Drittel ist geschafft, rechnet er. Die leichte Bewölkung macht es etwas angenehmer. Staffelübergabe bei der Uni: „Hey Markus! Du schaffst es! Du bist gut unterwegs!“ Wer schreit denn da? Er kann die Stimme keinem Gesicht zuordnen.

Der Doris-Marathon
Hundert Wasserbecher oder mehr stehen immer bereit. Zuerst Wasser, dann das Blaue, dann nochmals Wasser. So macht es Doris regelmäßig, im Gehen, und sie spürt, wie es ihr jedes mal einen Energieschub bringt. Der Wind trocknet aus und vermutlich ist sie krebsrot im Gesicht. Wachsen schon die Salzkrusten im Gesicht? „Vier Minuten habe ich bestimmt schon verloren“, sagt einer mit kritischem Blick auf die Stoppuhr. Doris sah die Ankündigung der nächsten Verpflegungsstelle vor sich und dachte: „20 Kilometer gewonnen, und bald ist es die Hälfte.“

Der Markus-Marathon
Endlich Prater. Endlich Schatten. Das Ziehen im Rücken ist stärker geworden. Das Ziehen in den Unterschenkeln ist neu gekommen. Ob er die Schuhe zu eng gebunden hat? Auf der Fußsohle und den Zehenunterseiten gehen Veränderungen vor sich, die nicht ganz einfach zu ignorieren sind. Die entgegenkommenden Läufer wirken leichtfüßiger, konzentrierter, während sich bei Markus der Fokus aufzulösen beginnt. Seine Energie hat ihn weiter gebracht, als er das vor einem Jahr sich hätte vorstellen können. Aber die Schritte werden unkoordinierter jetzt, unrunder.

Der Doris-Marathon
Jetzt sind es über 28. Jetzt ist jeder weitere Schritt Neuland und jeder weitere Schritt ein Erfolg. Obwohl sie sehr oft hier im Prater gelaufen ist, scheint heute alles anders zu sein. Irgendwo hier war es, dass sie zum ersten mal gewiss war: Ich schaffe es. Ich renn rund ums Lusthaus, zurück auf die Stadionbrücke und bis ins Ziel, ich kann es, ich bin so weit gekommen, wie noch nie, und ich werde bis ins Ziel kommen.

Der Markus-Marathon
Es war so ziemlich die blödeste Stelle. Die Südosttangente in Sichtweite, Kilometer 32. Trinken, dachte er. Stehen bleiben, dachte er. So angenehm, dachte er. Doch als er tatsächlich stehen blieb und getrunken hatte, stieg der Schmerz von den Unterschenkeln die Füße hoch und in den Rücken, die Schmerzzentren vereinigten sich, und als er wieder loslaufen wollte, war das nicht mehr möglich. Drei Schritte. Stopp. Ein halber Schritt. Stopp. Der Marathon war aus für Markus. Plötzlich war er nicht mehr Teil des Geschehens, er gehörte nicht mehr zu den laufenden Menschen dieses Tages, und als er langsam zurückging und überlegte, wo er die nächste U-Bahnstation finden würde, schmerzte ihn das am allermeisten.

Der Doris-Marathon
Die Marathonstrecke entwickelte ihren eigenen Sog. Kilometer um Kilometer brachte sie hinter sich. Es war sehr mühsam, aber doch auch leicht. Es ging nicht ohne Anstrengung, aber der Kraftaufwand ließ die fehlende Strecke bis ins Ziel schrumpfen und das Hochgefühl anwachsen. Seltsamerweise schmerzten die Oberarme und die Schultern, und ja, auch die Oberschenkel waren nicht ganz locker. Aber jetzt sah sie den Ring vor sich und wusste: Ab jetzt beginnt der Zieleinlauf.

Der Markus-Marathon
Es war weit bis zur U-Bahn. Er musste über die Stadionbrücke gehen, fühlte sich beobachtet, noch schlimmer: er fühlte sich bemitleidet. „Haben Sie Seitenstechen bekommen? Ist ja auch wirklich heiß heute“, sprach ihn einer am Bahnsteig an. „Nein, nein, kein Seitenstechen“, murmelte Markus bloß. „Oder haben Sie einen Krampf? Vielleicht fehlt Ihnen Magnesium, das hilft sehr gut.“ Markus war immer stolz auf sein Läuferdasein gewesen, aber jetzt hätte er jede Hilfe der Welt angenommen, um überspielen zu können, dass er den Marathon laufen wollte und aufgegeben hatte.

Der Doris-Marathon
Der Ring gehört mir, ja so denken die Läufer. Der Ring gehört mir, die Oper, und der Heldenplatz. Doris hatte den Blick ganz gerade auf sich vor die Straße gerichtet. Es war wie beim freihändig Radfahren: Bei schnellem Tempo kein Problem, bei langsamer Geschwindigkeit droht man jedoch umzukippen. Also nicht nachlassen, sondern laufen. Sie hatte keine rechte Vorstellung, was sie erwarten würde. Sie hatte nicht mehr die völlige Kontrolle über ihre Bewegungen, aber laufen konnte sie noch, und sie nahm alles rund um sie noch genau auf, die letzte Kurve, die Bögen des Burgtores, mit jedem Schritt wurde es lauter, dann der Heldenplatz. Rundum begannen die anderen Läufer zu winken, beschleunigten ihre Schritte und es war, als hätten alle zusammen etwas Großartiges geschafft, und genauso fühlte Doris sich.

Hier endet diese Geschichte. Doris, herzlichen Glückwunsch! Markus, nächstes Mal schaffst Du es bestimmt! Vielen Dank für Eure Marathonerlebnisse, an denen Ihr uns teilhaben habt lassen.



Der Bericht wurde vom Veranstalter selbst im Eventmanager von MaxFun.cc eingetragen

Doris du schaffst es ...

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