Entscheidung

Auch Zen-Meister hat es gegeben, die aufgrund historischer Gegebenheiten in kriegerischen Zeitaltern bestehen mussten.

So erzählt man sich die Geschichte von Meister Z., der sich in der misslichen Lage befand, ein Dutzend Gefangene der Widersacher seiner Gemeinde zur Arbeit führen zu müssen. Bewaffnet mit einem Schwert führt er sie über einen Feldweg, sie wissen nichts über ihre Zukunft, sehen aus wie Gespenster.  

Plötzlich geschieht es, dass eine Frau, die zufällig aus einem ruinösen Gebäude heraustritt, aufschreit und über den Feldweg herbeiläuft, auf einen der Gefangenen losstürmt und diesen umarmt. Alle müssen stehen bleiben und natürlich begreift auch der Zen-Meister, was sich ereignet, worauf er zu dem Gefangenen geht, der die Weinende im Arm hält und fragt: „Ist sie deine Frau?“ „Ja“ antwortet dieser. Dann fragt der Zen-Meister die Frau: „Ist er dein Mann?“ „Ja“ ist die gleiche Antwort.  

Daraufhin gibt er ihnen mit der Hand zu verstehen, dass sie davon laufen sollen: „Weg mit euch, los verschwindet, lauft!“ Die beiden können es nicht fassen, bleiben stehen aber der Zen-Meister geht wort- und blicklos weiter mit den anderen elf Gefangenen, bis er einige hundert Meter danach, einem zufällig vorbeigehenden Mann winkt und ihn mit dem Schwert zwingt, einzutreten, damit das Dutzend, das er abliefern muss, wieder voll ist.

Dr. Günter Heidinger