MaxFun Sports Laufsport Magazin

Kindertraining? Ja, aber richtig!

07.03.2002, 12:00:00
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Das Kind ist kein Miniaturerwachsener, und seine Mentalität ist nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ von der des Erwachsenen verschieden, so dass ein Kind nicht nur kleiner, sondern auch anders ist.

Kinder besitzen im Normalfall einen ausgeprägten Bewegungsdrang. Die Anstrengung, die mit der Bewegung verbunden ist, wird von Kindern subjektiv als geringer empfunden als von Erwachsenen. Ein ausreichendes Maß an Bewegung ist für Kinder eine Entwicklungsnotwendigkeit, auf die üblicherweise in der Schule, aber auch im Elternhaus, zu wenig Rücksicht genommen wird. Nicht nur die praktische Ausübung des Sports kommt zu kurz, auch das notwendige Grundlagenwissen wird eigentlich nie vermittelt. So lernt jeder AHS-Schüler während seiner Schulzeit mindestens zweimal, wann Hannibal mit seinen Elefanten die Alpen überquert hat (ich habe es leider trotzdem vergessen), aber man lernt in der Schule eigentlich nie, warum man eigentlich Bewegung machen sollte.

Diese Defizite können später nur mehr schwer aufgeholt werden. Ein Drittel aller Volksschulkinder ist stark übergewichtig, über 10% leiden bereits an Fettsucht (Adipositas). Zunehmende degenerative Erkrankungen und immer mehr Herzinfarkte auch bei den 30 – 40 Jährigen sind die Folge, wenn andere Risikofaktoren wie ungesunde Ernährung und Rauchen noch dazu kommen.

Alle Untersuchungen mit Volksschulkindern der letzten Jahre haben gezeigt, dass die körperliche Leistungsfähigkeit (motorische Grundeigenschaften) der Kinder immer schlechter wird. Die Normwerte für einzelne einfache Tests, die in den 50er Jahren erstellt wurden, sind heute nicht mehr anwendbar, weil sie nur mehr von ganz wenigen Kindern erreicht werden.

Alle Fachleute klagen über den rapiden Verfall der allgemeinen sportlichen Leistungsfähigkeit, über Bewegungsmangel und viele damit verbundene Beeinträchtigungen. Wir entwickeln uns rasant zum degenerierten Sitz-Volk. Nicht nur die Sportverantwortlichen, sondern auch alle verantwortungsbewussten Eltern haben deshalb die Aufgabe, dieser Tendenz so entgegenzuwirken, dass man nicht erst als Erwachsener über die Krankenkassen zum Ausdauertraining (= Gesundheitstraining) kommt.

In den Kindergärten gibt es manchmal nicht einmal mehr Bälle, weil sonst vielleicht einmal eine Fensterscheibe zu Bruch gehen könnte. Bei Elternversammlungen beschweren sich Eltern, dass die armen Kinder der dritten Volksschulklassen nun sogar schon eine dritte Turnstunde pro Woche haben.

Innerhalb des Bewegungstrainings hat das Ausdauertraining als wesentliche Fitness-Komponente den größten Stellenwert. Die meisten Nicht-Sportler verbinden mit Ausdauertraining monotone Quälerei. Dabei ist gerade ein kindgemäßes Ausdauertraining alles andere als eine Quälerei. Sammeln von vielseitigen Bewegungserfahrungen, trainieren ohne es als Training zu empfinden, das sollte die Devise sein. Training heißt systematisches, planmäßiges und zielgerichtetes Üben. Training ist deshalb kein Begriff, der erwachsenen Leistungssportlern exklusiv vorbehalten ist. Auch Kinder können trainieren, ja sie sollten es sogar tun. Aber:

Statt Ausdauertraining strengt an müsste es heißen: Ausdauertraining macht Spaß!

Ausdauertraining macht dann Kindern Spaß, wenn es kindgerecht vermittelt wird. Kindgerecht bedeutet:

· altersgemäß
· freudvoll
· variantenreich
· aufgabenorientiert
· spielerisch
Leider erhalten meist nur jene Kinder den Zugang zum Sport, deren Eltern selbst sportlich aktiv sind. Wenn sie die Ergebnislisten von Kinderläufen und Kindertriathlons betrachten, werden sie viele bekannte Familiennamen vorfinden, weil auch die Eltern an entsprechenden Wettkämpfen teilnehmen. Leider ist auch immer wieder zu beobachten, dass v.a. ehrgeizige Väter, denen selbst der große Erfolge durch zu späten Einstieg oder mangelndes Talent verwehrt geblieben ist, ihr Kind dann mit Gewalt zum Erfolg treiben wollen. Da werden Kinder zum eigenen Lauftraining mitgeschleppt und meist überfordert, weil die am Anfang naturgemäß schnelle Leistungsentwicklung den Eltern die scheinbare Richtigkeit des eingeschlagenen Weges bestätigt. Alle warnenden Stimmen von Fachleuten und fundierte Empfehlungen in der Literatur werden in den Wind geschlagen, bis die Kinder beim Orthopäden oder Psychologen landen. Bei Kinderläufen werden die Kinder im hinteren Drittel nicht selten von den Vätern an der Hand in Richtung Ziel gezerrt, und aufmunternde Zurufe wie Lauf endlich schneller, du Trottel beweisen psychologisches Fingerspitzengefühl.

Da es in Österreich leider nicht einmal ansatzweise eine systematische Talenterfassung im sportlichen Bereich gibt, bleibt es üblicherweise dem Zufall oder einem engagierten Lehrer oder Elternteil überlassen, dass ein Ausdauertalent überhaupt entdeckt wird. Das nächste Problem entsteht dann, wenn Eltern überlegen, wie sie die Leistungsentwicklung ihres Kindes unterstützen können, ohne mehr Schaden als Nutzen anzurichten. Der nächste Leichtathletikverein mit einer Kindergruppe ist meist weit weg, oder die Betreuung ist manchmal mangelhaft. Es gibt natürlich auch viele positive Beispiele wie die Bewegungsschule der IGLA Harmonie in Natternbach, wo Eltern ihre Kinder mit gutem Gewissen hinschicken können.

Woran können sie erkennen, ob in dem Verein oder dem Kinderlauftreff ordentlich gearbeitet wird? Wenn die 8 – 12-jährigen Kinder nur dauerlaufen, „um die Grundlagenausdauer zu entwickeln“, dann stimmt etwas nicht. Kinder sollten fast das gesamte Repertoire der Leichtathletik kennen lernen (inkl. Sprint, Hürden, Sprung- und evtl. auch Wurfdisziplinen), bevor eine Spezialisierung erfolgt. Neben der sportlichen Entwicklung ist das Training in der Gruppe auch immer ein wertvoller Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung und zum sozialen Lernen. Trotz gutgemeinter Überfürsorge der Eltern ist im wirklichen Leben mehr denn je Durchsetzungsvermögen und Leistung gefragt. Der Sport kann hier durch die Entwicklung eines gesunden Selbstwertgefühls tatsächlich eine Schule fürs Leben sein, oft mehr als die eigentliche Schule.

Altersadäquates Training

Vorschulalter:

Hier steht das spielerische Erwerben grundlegender Fertigkeiten im Vordergrund. Mit ausreichenden Bewegungsmöglichkeiten sollen Grundfertigkeiten wie Laufen, Springen, Klettern, Hängen, Schwingen, Balancieren, Werfen und Fangen erlernt werden. Für ein spezielles Ausdauertraining ist es jetzt sicher noch zu früh.

Volksschulalter:

Die Grundfertigkeiten sollten nun auch in technisch verfeinerter Form erlernt werden. Die polysportive Ausbildung, d.h. das Kennen lernen mehrerer verschiedener Sportarten soll vor allem der koordinativen Entwicklung dienen. In dieser Altersstufe kann auch bereits die Ausdauer in spielerischer Form entwickelt werden. Jedes Kind muss in der Lage sein, mindestens so viele Minuten durchlaufen zu können, wie es dem Alter in Jahren entspricht! Auch die Teilnahme an Kinderläufen ist durchaus möglich (siehe weiter unten). Bei vielseitiger Gestaltung des Ausdauertrainings (laufen, Rad fahren, schwimmen, Schilanglaufen, Inline-Skating, etc.) ist für 9-10 jährige Kinder ein Trainingsumfang von durchschnittlich 3 Stunden pro Woche zumutbar.

10 – 14 Jahre

In diesem Alter spielt die individuell unterschiedliche biologische Entwicklung eine große Rolle (siehe weiter unten). In keiner Ausdauersportart außer im Schwimmen ist in diesem Alter bereits eine Spezialisierung notwendig. Von den heute weltbesten Läufern und Triathleten hat fast niemand in diesem Alter bereits ein Spezialtraining absolviert. Die Steigerung des Trainingsumfanges kann pro Jahr in dieser Altersstufe 10 - 30% betragen. Das reine Ausdauertraining sollte 4 – 6 Stunden pro Woche nicht übersteigen, wobei das Lauftraining durch die hohe Belastung des Binde- und Stützgewebes maximal die Hälfte ausmachen sollte. Eine Überlastung des passiven Bewegungsapparates durch ein marathonähnliches Training kann zu irreversiblen Spätschäden führen!!!

Bei Jugendlichen, die sich dem Ausdauersport zuwenden, sollte aber immer berücksichtigt werden, dass in jungen Jahren v.a. auch die Schnelligkeit und Koordination trainiert werden sollten. In späteren Jahren sind entstandene Defizite praktisch nicht mehr aufzuholen. Ein zu umfangsorientiertes Ausdauertraining ohne Schnelligkeitsreize hemmt die langfristig positive Leistungsentwicklung.

Die Teilnahme an Kinderläufen kann natürlich eine Motivation darstellen. Allerdings sollte eine Teilnahme an derartigen Veranstaltungen nicht zu häufig erfolgen. Die Wettkämpfe dürfen wie andere intensive Belastungen nur das Salz in der Suppe darstellen. Bei der Auswahl der Wettkämpfe ist auch darauf zu achten, dass es Leistungsklassen/Alterklassen gibt, wo ihr Kind nicht von Beginn an hinterher läuft, sonst geht der Spaß sehr schnell verloren.

Wesentlich ist aber nicht, welche sportliche Leistungen Ihr Kind mit 14 Jahren erzielt oder wie viele Schülermeistertitel es erringt, sondern dass das Kind Freude am Sport gewinnt, das Talent dem Sport erhalten bleibt und – falls angestrebt - vorsichtig an die individuelle Höchstleistung herangeführt wird. Tatsache ist, dass mehr als 90% der 14 jährigen Talente vor 10 Jahren heute in keiner Ergebnisliste mehr aufscheinen.

Ich wage zu behaupten, dass bei einem Mindestausmaß an Talent und Ehrgeiz beim Training ein Schülermeistertitel in Österreich vor allem bei den Schülerinnen fast gar nicht zu vermeiden ist.

Wenn der Erfolg das Produkt spezifischen Trainings ist, wie es eigentlich dem Erwachsenenalter vorbehalten sein sollte, dann kann sich der Trainer vielleicht auf die Schulter klopfen, dem Sport und dem Jugendlichen hat er längerfristig sicher nichts Gutes getan. Wenn hier bereits Trainingsformen, Intensitäten und Umfänge eingesetzt werden, die kaum mehr eine Steigerung zulassen, wodurch soll dann eine weitere Leistungsentwicklung ermöglicht werden? Wenn schon 15 Jährige beim Laufen oft nur Qual empfinden und nur mit einem leidenden Gesichtsausdruck unterwegs sind, wie soll dann ein notwendigerweise vielleicht 10 jähriges Training mit zunehmenden Belastungen ertragen werden? Solange der Erfolg vorhanden ist, ist dies oft kein Problem. Aber wehe, wenn vielleicht durch den Wechsel in die nächste Altersklasse der Erfolg plötzlich nicht mehr gegeben ist. Wenn in dieser Phase vielleicht noch andere Interessen hinzukommen und der Hormonhaushalt in Unordnung gerät, ist das Ende der Karriere schon fast programmiert.

Ein Meistertitel im Nachwuchsbereich sollte sich eigentlich als Nebenprodukt eines vielseitigen Trainings ergeben. Eine zu frühzeitige Spezialisierung hemmt auf jeden Fall die langfristige Leistungsentwicklung.

Man kann Niem anden zu sportlichen Höchstleistungen zwingen. Das war nicht einmal in der früheren DDR möglich. Wenn nicht die Freude am Sport das wesentliche Leitmotiv ist, helfen auch materielle Anreize und Zwänge in mehrerlei Hinsicht nichts.

Beim Vergleich mit Gleichaltrigen sollten immer die oft beträchtlichen Unterschiede des kalendarischen und des biologischen Alters (welche Entwicklungsstufe) des einzelnen Kindes berücksichtigt werden. Spätentwickler (retardiert) sind vorerst immer im Nachteil gegenüber Frühentwicklern (akzeleriert), können Ihre Leistung aber länger steigern und auch das individuelle Höchstleistungsalter wird erst später erreicht. Bei der Altersklasseneinteilung im Nachwuchsbereich wird darauf natürlich keine Rücksicht genommen. Außerdem wird die langfristige Leistungssteigerung bei Jugendlichen durch die einzelnen Wachstumsphasen (Streck- und Füllphasen) noch weniger linear verlaufen als bei Erwachsenen. Eine Stagnation oder Verschlechterung in einem Jahr ist durchaus normal und darf weder Eltern noch Kinder zum Verzweifeln bringen.

Stark anaerobe Belastungen (hochintensive Belastungen mit einer Zeitdauer von 30 Sekunden bis ca. 5 Minuten) sollten im Training bei Kindern unter 14 Jahren nur sehr sparsam eingesetzt werden. Längere Dauerbelastungen in niedrigerem Tempo sind weniger problematisch. Die Distanzen der Kinderläufe liegen allerdings meist in diesem Bereich, weil viele Kinder gar nicht länger laufen können, oder deren Lehrer oder Eltern dies zumindest glauben. Ab und zu ein Wettkampf in diesem Bereich wäre ja noch kein Problem. Leider führen die Wettkampfdistanzen aber dazu, dass häufig speziell für diese Strecken trainiert wird.

Von allen möglichen Freizeitbeschäftigungen ist für Jugendliche die Zuwendung zum Sport wahrscheinlich die beste Alternative. Das Umfeld im Sportverein ist üblicherweise positiver und auch gefahrloser als die üblichen Aktivitäten der überwiegend frustrierten no future Generation. Alle einschlägigen Untersuchungen belegen, dass die Wahrscheinlichkeit, mit Drogen in Kontakt zu kommen, unter sportlichen Jugendlichen wesentlich geringer als im Durchschnitt ist. Deshalb ist auch jedes Dopingvergehen der Spitzensportler ein enormer Imageschaden für den gesamten Sport.

Wilhelm Lilge

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