MaxFun Sports Laufsport Magazin

Der Berg ruft!

30.10.2002, 12:00:00
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MaxFun Sports

Der Bergläufer verhält sich zum -normalen- Läufer wie der Läufer zum Nichtläufer.

Das Laufen in die dritte Dimension findet immer mehr Anhänger.
Hart, aber schön.
Was macht den speziellen Reiz des Berglaufes aus?
Für wen ist der Berglauf geeignet?
Wie sollte man das Berglauf-Training gestalten?

Der Gipfel als Ziel, das Erklimmen eines Berges hat für viele Sportler nicht zu Unrecht eine fast mystische Komponente. Wenn nicht in Österreich, wo sonst gilt: -Die Berge sind einfach da, also muss man hinauf!- -I muss auffi!-, brachte es Wolfgang Ambros im -Watzmann- auf den Punkt.

Berglauf ist nicht gleich Berglauf.
Die Palette reicht vom kurzen Hügellauf über wellige Geländeläufe, Bergauf- und Bergabmarathons, Straßenbergläufe (z.B. Großglocknerlauf), Schipisten- und Geröllhaldenläufe bis zu Stiegenläufen von Donauturm bis zum Empire State Building.
Man kann unterscheiden zwischen kraftausdauerorientiertem Training im mehr oder weniger hügeligen Gelände als Vorbereitung für Wettkämpfe im Flachen und eigentlichen Bergläufen.
Richtige hard core Bergläufer lieben es extrem.
Sie tun es am liebsten im unwegsamen Gelände zwischen Gämsen und Murmeltieren, manchmal aufgrund der Steilheit auf allen Vieren und bergab fast im freien Fall.
Normale Läufer vergessen dabei leicht auf die Empfehlungen des -Dr. Grinsemann-, wenn die Zunge fast am Boden schleift.
Aber es muss ja nicht gleich so extrem sein. Dezentes Bergauflaufen bedeutet für jeden Läufer ein spezifisches Kraftausdauertraining.
Die Muskulatur wird mehr und anders belastet als beim Laufen im Flachland.
Das scheinbar Paradoxe daran: auch wenn das Hinaufrennen auf den Berg noch so anstrengend erscheinen mag, man erholt sich davon wesentlich rascher als bei einem Lauf mit der gleichen Anstrengung im Flachen oder gar bergab. Das liegt daran, dass das Binde- und Stützgewebe bergauf wesentlich weniger belastet wird.

Bergauf verändert sich natürlich auch die Lauftechnik in Abhängigkeit von der Steilheit des Anstieges. Aufgrund der größeren Beugung im Hüfgelenk (Kniehub) merkt man, dass die Sitzfläche eben nicht nur einen Knochenschoner beim Sitzen darstellt, sondern der Gesäßmuskel eine wesentlich Rolle beim Bergauflaufen übernimmt.
Die stärkere Beugung im Kniegelenk bewirkt wiederum eine höhere Beanspruchung der Oberschenkelvorderseite, weshalb es keine Schande darstellt, wenn Sie im steilen Anstieg schon einmal mit den Händen die Oberschenkel packen, um die Knieststreckung zu unterstützen. Wenn es so richtig steil ist, kann der Fuß auch kaum mehr mit der ganzen Sohle aufgesetzt werden, weshalb auch die Wadenmuskulatur und die daran montierte Achillessehne ordentlich belastet werden.
Die stärkere Oberkörpervorlage stellt auch für die Rückenmuskulatur einen netten Reiz dar, weshalb Kreuzschmerzen bei schwacher Rückenmuskulatur häufig sind. Generell wird auch der Armeinsatz bergauf etwas mehr betont, womit das Berglaufen insgesamt mehr einer Ganzkörpersportart entspricht als das Flachlaufen.

Das Bergauflaufen ist also insgesamt eine Form der Reizerhöhung, ein Laufen unter erschwerten Bedingungen.
Damit ist die Zielgruppe doch schon deutlich eingeschränkt. Wenn das langsame Laufen in der Ebene schon Mühe bereitet, dann sollte zuerst die Grundlagenausdauer im Flachland entwickelt werden.
Nur weil viele Spitzenläufer im Gelände laufen, heißt das noch lange nicht, dass das Berglaufen den Schlüssel darstellt zur Verbesserung der Marathonzeit von fünf Stunden auf viereinhalb Stunden.

Die Grundlagenausdauer
- das kann man nicht oft genug betonen - wird immer noch am besten durch viele gemütliche Dauerläufe entwickelt. Die so wichtige Ökonomisierung im Bereich des Fettstoffwechsels gelingt am allerbesten, wenn drei Kriterien gleichzeitig erfüllt sind: lang - ruhig - gleichmäßig! Gerade der dritte Punkt fällt im Gelände naturgemäß schwer.
Mehr als zwei Drittel aller Hobbyläufer zeigen bei Untersuchungen eine relative Schwäche im Bereich der Grundlagenausdauer, weil tendenziell immer noch zu intensiv (mit zu hohem Puls), dafür aber zu kurz trainiert wird.
Die regelmäßigen Laufsport-Leser und MaxFun.cc-Besucher gehören natürlich zum anderen Drittel und können auf der Basis einer guten Grundlagenausdauer mit einem Berglauftraining ihren Laufleistungen vielleicht den entscheidenden Kick geben.

Wenn Sie zumindest drei- bis viermal pro Woche im überwiegend flachen Gelände trainieren, dann ist es sicherlich den Versuch wert, einmal pro Woche Hügelläufe ins Training einzubauen.

Zwei Varianten machen Sinn:
1) Fahrtspiel im Gelände:
beim Fahrtspiel werden generell auf der Basis eines ruhigen Dauerlaufes immer wieder - nach Lust und Laune - zügige Abschnitte eingestreut, wobei während dieser Tempostrecken mehrere Minuten (meist zwei bis sechs) im Bereich der anaeroben Schwelle oder knapp darüber gelaufen wird.
In der Praxis bedeutet das Intensität, die etwas oberhalb der 10km-Wettkampfintensität liegt. Zwischen diesen zügigen Abschnitten sollte Sie jeweils eine ungefähr gleich lange Trabpause einlegen und insgesamt sollten bei solch einem Training 20 - 40 zügige Minuten gelaufen weden.
Für diese Trainingsform bietet sich natürlich das wellige Gelände an, wobei die Belastungen eher bergauf gemacht werden. Wenn Sie einigermaßen trittsicher sind und endlich einmal der Monotonie des gewohnten Dauerlauf-Schlappschrittes entkommen möchten, dann können Sie auch einmal leicht (!) fallende Abschnitte einmal so richtig schnell laufen.
Dieses Training ist durchaus auch für Marathonläufer mit guter Grundlage geeignet, deren Muskulatur damit wieder einen neuen Reiz erfährt.

2) Intervalltraining bergauf:
während das Fahrtspiel noch eine eher unstrukturierte Form des Trainings nach der Intervallmethode darstellt, gibt’s beim eigentlichen Intervalltraining klare Vorgaben, was Belastungsdauer und Pausen anbelangt.
Suchen Sie sich dazu einen Anstieg (je nach Leistungsniveau 5 - 15 Prozent Anstieg) und laufen Sie mehrmals so hinauf, dass Sie am Ende immer noch einige Reserven haben - sonst wird es zu anaerob!
Beginnen Sie mit eher längeren, dafür nicht so steilen Anstiegen, damit es nicht gleich zu intensiv wird. Laufen Sie z.B. 4 x 6 Minuten einen leichten Anstieg, dazwischen traben Sie jeweils zurück zum Ausgangsort. Nach der letzten Wiederholung sollten Sie das Gefühl haben, dass noch ein oder zwei Läufe möglich wären. Von Woche zu Woche können Sie dieses Training eine Spur intensiver gestalten, wobei Sie z.B. 6 x 4 Minuten, 8 x 3 Minuten oder 10 x 2 Minuten - jeweils entsprechend etwas schneller - laufen. Ein derartiges Training ist vor allem zur Verbesserung der 5km oder 10km Zeit geeignet, während es für Marathonläufer doch eine eher unspezifische Belastung darstellt (falls Sie sich nicht gerade auf den Jungfrau-Marathon vorbereiten).

Läufer aus dem Seewinkel, Marchfeld und Machland brauchen nicht zu verzweifeln, falls ein Fitness-Studio in der Nähe ist oder ein Laufband im Keller.
Auf jedem Laufband mit verstellbarem Anstiegswinkel lassen sich wunderbar Bergaufläufe trainieren. Sie ersparen sich sogar das mühsame Runterlaufen in den Pausen. Einzig die Wadenmuskulatur wird am Laufband etwas weniger beansprucht als am -echten- Berg.

Der Berglauf hat auch gerade auf internationaler Ebene eine deutliche Aufwertung erfahren, da es 2002 (Madeira) erstmals eine offizielle Berglauf-Europameisterschaft gab.
Für Österreich war es ein richtiges Berglauf-Jahr, da neben dieser EM im August in Innsbruck auch die World-Trophy (die Weltmeisterschaft der Bergläufer) stattgefunden hat.
Die besten Bergläufer sind natürlich auch bei Wettkämpfen im Flachland und auch auf der Bahn im Vorderfeld zu finden, es gibt aber natürlich schon Spezialisten. Gerade bergauf spielt das Last-Kraft-Verhältnis eine große Rolle, weshalb Leichtgewichte im Vorteil sind. Jedoch bedeutet - nicht zuletzt aus gesundheitlichen Gründen - -leichter- nicht immer -schneller-.
Es gibt sogar Diskussionen, ob man unter einem bestimmten Body Mass Index (Gewicht/Größe zum Quadrat) nicht mit einem medizinisch begründeten Startverbot belegt werden sollte.
Es gibt Bergläufe, die praktisch nur hinauf gehen und andere, die auch mitunter gefährliche Bergabstücke enthalten.
Wer das Bergablaufen nicht systematisch trainiert und lauftechnisch perfekt ist, der wird nicht nur mit einem nie dagewesenen Muskelkater gestraft, sondern bergab wieder viel Zeit verlieren. Das Bergablaufen stellt zwar nur eine geringe Beanspruchung des Herz-Kreislaufsystems dar, für die Muskulatur ist die zusammenstauchende (exzentrische) Belastung ein Hammer.

Die klassischen Bergläufe sind noch keine -Mega-Events- von irgendwelchen ahnungslosen Agenturen, der familiäre, herzliche Charakter überwiegt.
Die richtigen Bergläufer schätzen neben der puren Leistung das intensive Naturerlebnis und auch das vielseitige Training.
Schitouren und Langlaufen im Winter, aber auch Bergsteigen und Klettern im Sommer sind bei den meisten Bergfexen fixe Bestandteile der Vorbereitung.
Aufgrund der relativ ähnlichen muskulären Beanspruchung ist auch das Rad fahren mit dem Bike im Gelände und auf der Straße bergauf nicht nur Selbstzweck, sondern wunderbar ins Training zu integrieren.
Am Berg wird nicht so stressig um bestimmte Kilometerschnitte und Bestzeiten gekämpft, dazu wären die Bedingungen auch viel zu unterschiedlich. Die Bergläufer meinen auch, dass es bei ihnen noch ehrlicher als in anderen Bereichen der Leichtathletik zugeht - ohne Doping und ohne Tempomacher - vielleicht auch deshalb, weil das Geld eher auf der Straße und auf der Bahn liegt und weniger am Berg.

In Österreich und im benachbarten alpinen Ausland gibt es eine Fülle von wunderschönen Bergläufen.
Der Berg als Sportgerät wird quasi wiederentdeckt. Der -Outdoor- Bereich war 2002 die am meisten boomende Sparte im Sportartikelhandel.
Auch wenn Sie nicht gleich bei einer EM dabei sind, das laufende Erklimmen eines Gipfels lohnt sich in jedem Fall und kann Ihrem Läuferleben einen nie dagewesenen Höhepunkt bescheren.

Wilhelm Lilge
Der Autor ist Trainer und sportlicher Leiter des LCC-Wien.

Mag. W. Lilge

Link: www.lcc-wien.at

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